wohliks hat geschrieben:Es ist richtig, dass wir eine Bahngeschwindigkeit von 24,4 cm/s unterstellen können - dann aber beginnt mein Verständnisproblem: die 0,008 mm, die Du pro Schwingung errechnest, beziehen sich doch nicht auf die Breite der Rille, sondern das ist die Wellenlänge.
Korrekt.
Die Breite der Stege wiederum wird durch den Vorschub des Schneidkopfes bestimmt und kann sogar dynamisch variiert werden: Bei der so genannten Füllschrift werden die Rillen abhängig von der Amplitude der Nachbarrille so verbogen, dass Platz gespart wird, indem sie einander anschmiegen.
Hmm, wie erkläre ich das. Zwischen zwei benachbarten Rillen ist ein Steg. Eigentlich ein einziger langer, der sich auch spiralförmig nach innen bewegt. Am Rand dieses (langen) Steges sind jeweils Ausbuchtungen, die mehr oder weniger weit in die Rille hineinragen und die Nadel zur Seite schubsen und damit auslenken. Um diese Ausbuchtungen ging es mir eigentlich. Ich erweitere mal mein Bild, so dass man noch die benachbarte Rille mit ihrer Schwingung (dort mal einer leicht versetzen Phase) sieht.
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/ _ \ / _ \ /
/ / \ \ S / / \ \ S /
/ S \ \_/ / S \ \_/ /
/ \___/ \___/
<--x-->
S S S S S S
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/ _ \ / _ \ /
/ / \ \ S / / \ \ S /
_/ / S \ \_/ / S \ \_/ /
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Nach rechts müsste so nach und nach die Krümmung der Scheibe zu erkennen sein, was ich hier natürlich mit den ASCII-Zeichen nicht darstellen kann. Die Platte dreht sich also seitlich, die Nadel läuft den schmalen Pfad (die Rille) entlang. Alles was mit S bezeichnet ist, ist der Steg. Mir geht es nun um die Ausbuchtungen des Steges nach oben und unten, die sozusagen die Form der Rille bestimmen und hierbei um die Breite dieser Ausbuchtungen, im Bild mit <--x--> bezeichnet. Je höher die Frequenz ist, desto näher rücken ja die Schwingungen horizontal zusammen, desto schmaler wird also dieses x. Das heißt der Auslenkwinkel für die Nadel wird immer steiler, aber desto schmaler ist die noch übrige Vinylwand x, die diese Auslenkung noch bewirken kann. Und hier ist irgendwann eine Grenze erreicht, dass diese Ausbuchtung so dünn ist, dass sie nichts mehr aushält und einfach abbricht, wenn die Nadel kommt. Ich habe das mal in der oberen Rille versucht zu zeichnen, ich hoffe, man kann es noch erkennen.
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<x->
S S S S S S
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Wird die Frequenz noch höher, dann ist sogar nur noch Rille und keine Ausbuchtung mehr da, da die Rille (aufgrund der Dicke des Schneidstichels) den ganzen Platz in der Mitte beansprucht. Hier macht die Nadel also gar nicht mehr die gesamte Schwingung, da *gar* keine Wand mehr da ist, die sie nach oben und unten schubsen könnte.
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x
S S S S S S
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/ / \ \ S / / \ \ S /
_/ / S \ \_/ / S \ \_/ /
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Ich gebe Dir recht, dass so hohe Frequenzen nur mit geringem Pegel aufzeichnet werden können, weil die Abtastfähigkeit der Nadel begrenzt ist (Stichwort: "Schnelle") - auch dürfte der Verschleiß beim Abtasten erheblich sein - aber grundsätzlich kann das "System Vinyl" höhere Frequenzen durchaus verkraften.
Genau das Umgekehrte passiert aber bei der Schallplatte. Durch die sog. RIAA-Kennlinie wird der Frequenzgang völlig verzerrt, so dass die Bässe abgesenkt werden (sie würden eine zu hohe Auslenkung bewirken, weswegen die Rillen zu weit auseinander liegen müssten und nur noch wenige Minuten Musik auf die Platte passen würden) und die Höhen massiv verstärkt werden, damit sie überhaupt noch eine Auslenkung bewirken. Dieser völlig kaputte Frequenzgang, der sich auf der Platte befindet, wird dann bei der Wiedergabe durch den Entzerrvorverstärker wieder gerade gebogen. Die RIAA-Kennlinie ist übrigens bei 24kHz zu Ende, das heißt es werden *nie* Frequenzen > 24kHz auf eine Platte aufgezeichnet. Dort werden nämlich die Beschleunigungen für den Schneidstichel dann so groß, dass dieser abbrechen würde. Das Ganze wird über einen Tiefpass beschränkt.
Die Maxisingle übrigens wurde weniger der hohen Frequenzen wegen "erfunden", sondern vor allem wegen des größeren Abstandes von Rille zu Rille und damit der Möglichkeit, höhere Amplituden und größere Dynamik aufzuzeichnen.
Nein, nicht nur. Die Single hat eine höhere Abspielgeschwindigkeit, damit man bei ihrem kleinen Durchmesser wenigstens ein bisschen die höheren Frequenzen aufzeichnen kann. Und die Maxisingle wurde erfunden, damit nochmal mehr Bahngeschwindigkeit da ist. Bei einer Schallplatte liefert also tatsächlich eine Maxisingle die beste Tonqualität ab. Am äußeren Rand kommt man dann vielleicht tatsächlich in die Gegend von theoretisch 30kHz. Die aber aufgrund der RIAA-Kennlinie trotzdem nie aufgezeichnet werden, sondern wie gesagt mit einem starken Tiefpass weggefiltert werden. Mehr Pegel ist dort tatsächlich auch möglich, aber viel mehr geht nicht. Das sieht man daran, dass Maxi-Singles trotz allem eine sehr lange Auslaufrille haben, also theoretisch noch jede Menge Platz wäre, den man aber gar nicht nutzen kann, weil der Pegel sich eben nicht beliebig erhöhen lässt.
Was die grundsätzliche mechanische Speicherung und Abtastung betrifft, wird Deine Behauptung, das sei rein mechanisch völlig unmöglich, von der TED-Bildplatte widerlegt: Bei vergleichbarem Durchmesser und damit vergleichbarem Umfang ergibt sich mit 1500 Umdrehungen eine Bahngeschwindkigkeit von 1100,9 cm/s, also das rd. 45-fache - trotzdem konnten die damit 3 MHz (also das 100-fache der 30 kHz bzw. 0,0037 mm Wellenlänge) aufzeichnen und mechanisch abtasten...
Ja, aber nur mit der Vertikalaufzeichnung und auch nicht mehr mit Vinyl, sondern anderen Kunststoffen, die deutlich dünnere "Stege" erlauben. Auch wenn Du die Schallplatte mit 1500rpm rotieren lassen würdest, kämst Du nie und nimmer auf 3MHz.
Gruß,
Hagge