Maliboy hat geschrieben:Aber, ich sehe das wirklich von einer anderen Seite:
1. Ist eine Verschlüsselung in anderen Ländern auch üblich (siehe einach nur einmal ORF. Und der ist sogar ÖR)
Aus Sicht von Österreich macht das ja auch Sinn. Schaut man sich die Einwohnerzahlen an, dann hat Deutschland ziemlich genau 10x so viele Einwohner wie Österreich (82.4 Mio zu 8.26 Mio laut Wikipedia). Wenn also der ORF die Lizenz für einen Film kauft, dann macht das schon einen Unterschied, ob er ihn für 8.26 Mio oder 82.4+8.26 Mio Zuschauer lizenzieren muss. Das eine ist schlicht das 11-fache vom anderen. Umgekehrt ist die Rechnung aber lange nicht so drastisch. Wenn RTL nun einen Film kauft, dann ist das nicht so schlimm, ob die Lizenz nun für 82.4 Mio oder für 82.4+8.26 Mio Zuschauer gekauft werden muss. Das sind gerade mal 10% Unterschied. Klar, Kleinvieh macht auch Mist, aber bisher hat das ja immer wunderbar geklappt. Also warum soll da auf einmal so ein riesiges Sparpotenzial drinstecken.
(Ich hoffe die Schweizer sind mir nun nicht böse, dass ich sie in diesem Zahlenbeispiel einfach so übergangen habe. Wer will, darf die Rechnung als Hausaufgabe gerne nochmal inklusive der 4.7 Mio deutschsprachigen Schweizer wiederholen.)
Und Engländer und Franzosen haben auch ganz andere Argumente: da Englisch und Französisch Weltsprachen sind, die in nahezu allen Ländern Europas als erste oder zweite Fremdsprache gelernt werden, sind diese Lizenzen vermutlich auch drastisch teurer, da eben nahezu jeder Bürger Europas diese Sprachen hinreichend beherrscht, dass man ihn als potenziellen Zuschauer mit einrechnen muss.
Die Entscheidung, zu verschlüsseln ist in all diesen Ländern aber schon vor vielen Jahren beim analogen Satellitenfernsehen gefallen, denn schon damals war das eine Frage der Lizenzgebühren. Komischerweise ist es aber erst jetzt eine Frage in Deutschland. Na sowas. Komischerweise haben bisher die Lizenzen immer funktioniert, *auch* beim Sport.
Oder andersrum gesehen: wie sieht es mit den ganzen osteuropäischen und spanischen Sendern aus? Die sind doch auch massenhaft FTA.
2. Habe ich im Kabel diese Situation schon. Nur da wurde nicht so geschrien und es ging auch nicht durch die Presse.
Tja, da haben wir doch das Paradebeispiel: die Kabelleute waren schon immer das Zahlen gewohnt, also haben sie sich gar nicht gerührt, als neue Gebühren dazukamen. Ergo ist es der Wunsch der Privatsender, jetzt Gebühren für Sat einzuführen, damit die sich dann beim Entstehen von echten Kosten dann auch nicht mehr rühren. Darum: wehret den Anfängen.
Aber auf der Devise zu leben: Deutschland war immer FreeTV, das muss so bleiben, finde ich auch verkehrt.
Warum? Ich kann damit prima leben.
Fakt ist: Durch die Anzahl von neuen kleinen Digitalen Sendern ist der Konkurenzdruck größer geworden.
Richtig. Aber wie kann eine Verschlüsselung an dieser Konkurrenzsituation was ändern? Im Gegenteil, wenn ein paar Sender verschlüsseln und darum Platz für neue FTA-Sender machen, erhöht sich der Konkurrenzdruck doch noch mehr. Und im PayTV-Bereich erhöht sich die Konkurrenz ebenfalls, wenn neben Premiere dann noch mehr Anbieter da sind.
Also muss man sparen und neue Geldeinnahmequellen erschliessen.
- Sparen kann man an den Lizenzen und evtl. an den Verbreitungsgebühren
- Neue Einnahmequellen sind Pay-TV
Und beides kann man mit einer Grundverschlüsselung in den Griff bekommen.
Ich stimme Dir ja im Grunde zu, aber deswegen muss ich das noch nicht unbedingt gut finden. Ich sehe genauso die Zwangslage der Sender, sehe auch keine wirklich sinnvolle Alternative, aber dann sollen sie das auch bitte sagen und sich nicht hinter irgendwelchen blödsinnigen Argumenten wie Lizenzkosten und angeblich neuen Features verstecken, die entweder ein alter Hut sind (wie der als Neuerung angepriesene Programmguide) oder genau betrachtet gar nur Einschränkungen (wie DRM).
Und DRM ist das der nächste Schritt, um evtl. wirklich für PAY-TV bessere Rechte aus Hollywood zu bekommen.
Das ist letztendlich das gleiche Problem. So wie die Sender eben jetzt gerade probieren, möglichst die Verschlüsselung durchzukriegen, so versucht Hollywood eben auch, die Lizenzen am DRM festzumachen. Aber hier gilt für die Sender das Gleiche: wehret den Anfängen, boykottiert das einfach. Wenn die Sender hier den Leuten aus Hollywood keine Filme mehr abkaufen, ist Hollywood auch nicht gedient. Auch hier ist es Angebot und Nachfrage. Die Sender können das genauso boykottieren.
Der Filmverleih von George Lucas wollte auch für seine Star-Wars-Filme irgendwelche Sonderregelungen in den deutschen Kinos durchdrücken. Die haben sich geweigert, mit Vorführboykott gedroht und schurstraks hat der Filmverleih zurückgerudert. Der ist ja drauf angewiesen, dass seine Filme gezeigt werden. Genauso können es die Sender mit Hollywood auch machen.
Ich wiederhole mich gerne noch einmal. Die Verschlüsselung an sich ist nichts böses.
Doch. Es ist genauso schlimm wie eine Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten, wie eine Studiengebühr für Langzeitstudenten, wie biometrische Merkmale im Pass, wie Positionserfassung der LKWs über die Maut. Grundsätzlich ist das alles erst mal nichts Böses, aber alleine das Vorhandensein birgt das Risiko, diese Daten und die damit verbundenen Möglichkeiten zu missbrauchen.
- Wenn ich nichts böses telefoniere, sollte es mich nicht stören, wenn meine Daten erfasst und gespeichert werden. Aber damit weicht man von der Unschuldsvermutung ab, hat Datenberge, in die gerne noch andere reinschauen wollen, es gibt die Möglichkeit von Fehlinterpretationen, es verursacht immense Kosten, Big Brother is watching you, usw.
- Wenn man mal eine Studiengebühr für Langzeitstudenten hat, dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zu wirklichen Studiengebühren. Das hat vor ein paar Jahren auch noch jeder Minister abgestritten, und jetzt ist es in mehreren Bundesländern Fakt.
- Wenn meine Merkmale im Pass verewigt sind, dann werden eben diese Merkmale gefälscht. Das macht doch alles kein bisschen sicherer. Wenn eben mein Daumenabdruck zum Geldabheben notwendig ist, dann schneidet mir der Gauner eben den Finger ab, um daran zu kommen. Soll ich das soviel besser finden?
- Wenn der LKW erst mal per Maut erfasst ist, ist es nicht mehr weit bis zur Erfassung der PKWs und eine Maut dafür. Und zur Verfolgung von Straftaten über diese Daten. Und zur Erstellung von Bewegungsprofilen, usw.
All diese Beispiele zeigen, dass die Grundidee zwar nicht direkt nachteilig sein muss, aber das bloße Vorhandensein der Möglichkeit weckt neue Ideen zu deren Gebrauch und vor allem zu deren Missbrauch. Genauso ist es mit der Verschlüsselung.
Ja dieses Argument zieht sogar auch in die andere Richtung: solange nicht verschlüsselt wird, gibt es auch niemand, der das Verfahren knacken will und damit straffällig wird. Folglich zieht die Verschlüsselung ganz zwangsläufig eine neue Reihe von Straftaten nach sich. Und unser aller Leben macht es sowieso komplizierter.
Und das man für die Verschlüsselung eine Gebühr zahlt ist erst einmal auch nicht so verwerflich (so lange die Gebühr im Rahmen bleibt und nicht der Gewinnmaximierung gilt, weil dann ist es IMHO sowieso Pay-TV). Nur, was SES/ASTRA und die Sender noch Planen (Dolphin mit seinen Restriktionen), ist das, was wirklich für meinen Geschmack Schlimm ist.
Aber damit redest Du Dir doch nur die Welt schön. Wenn es losgeht, dann geht es los. Und dann kann man spätere Schritte viel schwerer verhindern, als wenn man alles gleich im Keim erstickt.
Ich könnte jetzt wieder anbringen, für ARD/ZDF zahlst Du auch. Und nicht zu knapp
Völlig klar. Und bei den Privaten zahle ich jetzt auch schon: durch viel verlorene Freizeit beim Schauen der Werbung, durch teure Produkte, die ja die Werbung finanzieren müssen, usw. Also komm bitte nicht mit dem GEZ-Argument. Die GEZ in der jetzigen oder zumindest in einer ähnlichen Form wird definitiv nie abgeschafft, egal wieviel verschlüsselt wird und egal ob es dadurch möglich wäre, jeden einzelnen Zuschauer beim Namen zu nennen. Und was die Informationsfreiheit und Unabhängigkeit angeht, ist das auch gut so.
Gruß,
Hagge